Melinda Mills
Schulkinder haben während der Schulschließungen trotz Online-Unterricht „wenig oder nichts“ gelernt
Schulkinder haben zu Hause während der Lockdown Schulschließungen „wenig bis nichts“ gelernt. Dies ergab eine neue Studie des Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford, die zeigt, dass Online-Unterricht während des Lockdowns größtenteils ineffektiv war, selbst in einem Land, das für die Herausforderungen von Online-Unterricht gut gerüstet ist.
Basierend auf den Erfahrungen von Schulen in den Niederlanden ergab die Studie, dass die Fortschritte der Schüler, die sie normalerweise in einem Jahr erzielen würden während des Lockdowns um rund ein Fünftel niedriger ausfielen. Dieser Verlust entspricht der Zeit, die die Schüler aufgrund der Schulschließungen außerhalb des Klassenzimmers verbringen mussten. Für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen waren die Auswirkungen noch verheerender.
Die Autoren der Studie Per Engzell, Arun Frey, und Mark Verhagen bewerten diese Ergebnisse als „sehr besorgniserregend“. Die Schüler verloren durchschnittlich 20% des erwarteten Fortschritts – proportional zu der Zeit, für die die Schulen tatsächlich geschlossen blieben. "Mit anderen Worten haben die Schüler beim Lernen von zu Hause aus kaum oder gar keine Fortschritte gemacht", so Dr. Engzell. Er warnt zudem: „dies ist ein besonderes Problem für Kinder mit Eltern ohne Universitätsausbildung. Für sie war der Verlust um etwa 50% größer als bei anderen Schülern.“
Laut Arun Frey bestätigen diese Resultate viele der schlimmsten Befürchtungen, die Pädagogen Anfangs des ersten Lockdowns hatten. „Die Ergebnisse der Studie sind besonders besorgniserregend, da die Niederlande so viele Dinge richtig gemacht haben. Lehrer und Schulbeamte haben enorme Anstrengungen unternommen und die Regierung hat sogar Laptops für alle Kinder gekauft, die einen benötigen. “
Die Forscher bewerten die Situation in den Niederlanden daher als ein „Best-Case“ -Szenario für die Untersuchung der Auswirkungen von Schulschließungen auf das Lernen von Schülern. Die Niederlande haben eine der weltweit höchsten Internetzugangsraten, und verordneten einen nur relativ kurzen Lockdown während der ersten Welle der Pandemie. Trotz dieser guten Voraussetzungen gingen die Fortschritte der Schüler erheblich zurück, was auf noch größere Verluste in Ländern hindeutet, die weniger gut auf die Herausforderungen von Online-Unterricht vorbereitet sind.
Es bleibt unklar, ob diese Ergebnisse einen vorübergehenden Rückschlag darstellen, den Schulen und Lehrer langfristig kompensieren können. Mark Verhagen erklärt: „Nur die Zeit wird zeigen, ob sich die Schulleistung erholt, stabil bleibt oder weiter zurückfällt. Was wir wissen ist, dass kleine Verluste mit der Zeit zu großen Nachteilen führen können, wenn keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden. Es liegt an uns als Gesellschaft, unsere Anstrengungen zu verstärken, wenn wir nicht eine ganze Generation von Schulkindern scheitern lassen wollen.“

Abbildung (links) visualisiert den geschätzten Lernverlusts nach Untergruppe und Testtyp (basierend auf einer Differenz-von-Differenzen-Spezifikation, in der der Lernfortschritt zwischen den beiden Testdaten im Jahr 2020 zu der in den drei Vorjahren verglichen wird).
Nach Angaben der UNO sind rund 95% der Schülerinnen und Schüler weltweit von Schulschließungen betroffen, was die größte Bildungsunterbrechung in der Geschichte darstellt. Viele Beobachter haben auf die potentiellen Nachteile in Bezug auf das Lernen und die erhöhte Belastung der Eltern hingewiesen.
In Ländern wie England, Deutschland oder Frankreich haben sich führende Politiker dafür entschieden, während des zweiten Lockdowns Bars und Restaurants zu schließen, wohingegen die Schulen diesmal geöffnet bleiben sollen. In anderen Ländern werden Konjunkturpakete auf die Wirtschaft ausgerichtet, während die Kinder noch zu Hause bleiben.
Da sich weite Teile der Welt auf eine zweite Welle der Pandemie vorbereiten, ist es von entscheidender Bedeutung zu wissen, wie sich Schulschließungen auf den Fortschritt der Schülerinnen und Schüler auswirken, und den unverhältnismäßig großen Schaden für Kinder aus benachteiligten Haushalten zu bedenken. Angesichts der neuen Sperrmaßnahmen, die derzeit in Erwägung gezogen werden, liefern Studien wie diese den Entscheidungsträgern wichtige Informationen. Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse die Dringlichkeit, die Bildungsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu erfüllen und Maßnahmen zum Ausgleich der bereits eingetretenen Verluste zu ergreifen.
Die Studie “Learning Inequality During the Covid-19 Pandemic” wurde von Per Engzell, Arun Frey, und Mark Verhagen durchgeführt und kann unter folgendem Link im Original gelesen werden: https://osf.io/preprints/socarxiv/ve4z7
Die Studie unterliegt aktuell der Prüfung durch Fachjournale und wurde noch nicht publiziert.
Kontakt:
Arun Frey <arun.frey [at] sociology.ox.ac.uk>